von Archon Studios
Anfang 2019 kam der erste Teil des Kickstarters an, und die Community war gespalten bis enttäuscht: Während die Miniaturen im Spiel eine gute Qualität hatten und das Spiel selbst ganz gut zu sein schien, war die Qualität der Tokens und der anderen Karton-Komponenten minderwertig, und das Regelbuch war eine Qual zu lesen.
Ich habe damals das Spiel ausgepackt, es angesehen, war über die gelieferten, papierenen Tokens und die fimschigen Zahnrad-Wählscheiben auf den Charakterkarten so erstaunt und sauer, dass ich das ganze Paket in den Schrank gestellt habe und bis dato nicht mehr hervorgeholt hatte.
Archon Studios hatte damals prompt auf die Kritik der Fangemeinde reagiert und angekündigt sich zu bessern und die minderwertigen Komponenten auf eigene Kosten zu ersetzen. Darauf wollte ich warten, um mir dann ein endgültiges Urteil zu bilden.
Kickstarter Lieferung Teil 2
Letztes Wochenende – wir schreiben August 2021 – kam nun die „2. Welle“ dieses Kickstarters:
(Wen die Kampagne interessiert: es läuft zur Zeit gerade noch ein Late-Pledge auf Kickstarter: https://www.kickstarter.com/projects/archonstudio/chronicle-x-by-archon-studio)
Alle Stretchgoals und Erweiterungen, sowie auch die angekündigten Ersatzteile inklusive neuem Regelbuch waren in einer riesigen Schachtel vor meiner Tür gelandet. (Offenbar steckt ein weiterer Teil der Lieferungen immer noch über Land zwischen China und Polen fest, ich habe aber den Eindruck, dass meine Lieferung nun vollständig ist.)
Das Gefühl, eine große Schachtel gefüllt bis zum Rand mit Spielen auszupacken, von dem man eigentlich längst vergessen hatte, dass man es überhaupt gekauft hat, lässt sich nur mit Weihnachten vor dreißig Jahren vergleichen! Wie ein kleines Kind freue ich mich über den Karton, öffne ihn voller Spannung, und hole schließlich die vielen kleinen und großen Schachteln hervor, aus denen sich die Lieferung zusammensetzt.
Und was für eine Lieferung es diesmal war!
Die Anzahl der Minis, die in diesem Paket gekommen sind, macht mich regelrecht fertig:
- Grundspiel: 32 Miniaturen
- Erweiterungen und Add-Ons: 41 Miniaturen
- Stretchgoals: 48 Miniaturen
Macht in Summe 121 neue Minis.
Und die kommen erst mal gleich auf meinen Pile-of-Shame, den ich abarbeiten (sprich anmalen) muss. Und es sind schöne Minis, gute Minis!
Die Qualität der Güsse ist hervorragend, vor allem die Bossmonster, die aus Multipart-Güssen bestehen und zusammengebaut werden müssen, erinnert mich an Games Workshop: Das Plastik ist härter als bei GW, aber scharfe Kanten, hoher Detailgrad sind vorhanden, also wirklich top Standard. Große Freude, großes Kino! Außerdem liegen für die mehrteiligen Figuren Bauanleitungen bei, in Aufmachung und Stil hat sich Archon hier ebenfalls offensichtlich bei GW einiges abgeschaut.
Minis in der Grundbox
Das Regelbuch ist überarbeitet und liegt nun in Version 1.2 vor. Es liest sich flüssiger als Version 1.0 und macht nun Lust aufs Spiel. Die Beschreibung der Komponenten ist wegen des kleinen Drucks zwar immer noch etwas unübersichtlich – welche Tokens und Karten machen jetzt nochmal was? – beim Aufbau klären sich solche Fragen aber dann von selbst.
Auch die Charakterbögen mit den Zahnradscheiben wurden verbessert: stärkerer Karton, stabilere Zahnräder, so gehört sich das.
Exkurs: Ersatz-Ersatzteile
Allein, in der neuen Kickstarter-Box sind nun wieder Komponenten drin, die falsch gedruckt wurden. Archon hat das zwar rechtzeitig bemerkt und auch gleich die Ersatzteile für die Ersatzteile mitgeliefert, es liegt nur leider kein Beipackzettel in der Schachtel, der einem erklären würde, welche Teile denn nun die richtigen sind, und welche man in den Müll werfen kann: Der Zusammenbau der Charakterbögen wird dadurch leicht mühselig.
Es hat mich mindestens eine dreiviertel Stunde gekostet, in detektivischer Kleinarbeit erst einmal auszuforschen, welche Zahnräder denn nun die richtigen und welche die falschen sind, und bei ein paar Scheiben musste ich die eben zusammengebauten auch gleich wieder trennen und neu zusammensetzen.
So etwas ist unnötig und ärgerlich, sorry Archon, da kann man noch was verbessern. Ein einfacher Zettel mit einem Satz drauf hätte genügt:
„Bei den Zahnrädern und Charakter-Bögen bitte nur folgende Teile verbauen: Charakter xy – Shoot 10/3, Charakter yz – Defense 4/2…“ etc. Denn der Unterschied liegt hier in einem kleinen, aber wichtigen Detail:
Die falsch gedruckten Komponenten haben die Zahlen für Nah- und Fernkampf-Werte genau verkehrt herum aufgedruckt, was direkten Einfluss aufs Spiel hat. Wie viele Felder entfernt etwa eine Figur angegriffen werden kann, und wie viele Würfel für den Angriff eingesetzt werden – 3/10 und 10/3 -, macht da einen nicht unbedeutenden Unterschied.
X-Com
Warum will ich dieses Spiel nun trotz all dieses Ärgers unbedingt spielen?
Es gab da mal ein Computerspiel, in den dunklen Zeiten des letzten Jahrtausends, das Maßstäbe im rundenbasierten Strategiespiel setzte: X-Com – Enemy Unknown (1994). Das Spiel hatte auch eine ganze Reihe von teils auch wirklich guten Nachfolgern am PC. Dieses Ursprungsspiel aber habe ich damals geliebt, und es war das erste PC-Game, das ich jemals durchgespielt habe – gleich mehrfach.
Aliens greifen die Erde an, man selbst ist der Verteidiger. Man baut eine Basis auf, rüstet Einsatzkommandos aus, bildet sie fort und schickt sie ins Feld, um abgeschossene UFOs zu bergen oder Alien-Terrorangriffen zu begegnen.
Den Nachfolger X-Com – Terror from the Deep (1995) habe ich dann ebenfalls durchgespielt. Stunden und Tage war ich versunken, habe meine Basis aufgebaut, meine Teams aufgerüstet, geforscht und fortgebildet, Resourcen gemanagt und mein Team ins Feld geschickt, wo es sich nun auch noch unter Wasser immer neuen Bedrohungen gegenüber sah.
Die 2016 erschienene Version habe ich auf der Playstation ebenfalls mehrmals durchgespielt und heute noch ist es mein Go-To Spiel, wenn ich digital zocken will.
Jede Partie ist anders bei X-Com, sie hat ihre eigenen Parameter, und der Ausgang jedes Einsatzes im Feld hat Auswirkungen auf die Entwicklung der gesamten Kampagne. Diese Verschränkung von rundenbasiertem Taktik-Spiel einerseits, in dem ein Team aus einer Hand voll Elite-Soldaten gegen die Aliens im Feld antritt, und dem Strategiespiel andererseits, in dem man sein Hauptquartier auflevelt und versucht, sein Team nach und nach immer stärker zu machen und aufzurüsten, ist einfach genial. Es wird nie langweilig.
Nun, und Chronicle-X ist die Portierung dieses für mich besten PC-Spiels aller Zeiten in die analoge Welt der Brettspiele!
Chronicle-X – Das Spiel
Sowohl beim Design als auch bei den Mechaniken halten sich die Macher nah an die Vorlage.
Mit sechs Helden zieht man ins Feld gegen die Aliens, die sich erst nur als Blip-Tokens auf dem Spielfeld bewegen (die Spieler wissen also nicht, welche Monster auf sie warten), bis sie in Sichtkontakt mit einem der Helden treten und aufgedeckt werden. Dann erst erfahren die Helden, welcher Gefahr sie tatsächlich gegenüberstehen – immer eine heikle Situation.
Die Aliens werden gesteuert vom Overmind-Spieler (1 gegen 1 bis 6 Spieler), oder im Solo-Modus durch eine KI. Zum Überraschungsmoment kommt, dass das Alien nach dem Erscheinen sofort eine automatische Aktion ausführen darf, die je nach Typ unterschiedlich ist. (Fernkampf-Angriff, Bewegung, Nahkampf-Attacke oder psychologische Beeinflussung a lá Telepathie etc.)
Diese Mechanik allein sorgt schon für eine Menge Spannung.
Das Terrain spielt beim Vorrücken der Squad eine entscheidende Rolle, Deckung zu nutzen ist essentiell, und wer nicht alle Aktionspunkte seiner Figur verbraucht, kann sie in Feuerbereitschaft versetzen – dann kann der Spieler zur Not auch im Zug des Overmind noch reagieren, bevor es der Figur auf dem Spielbrett an den Kragen geht.
Die Regeln lesen sich also bekannt und flüssig, das Spiel im Feld verspricht eine echte Freude zu werden.
Und dann gibt es auch noch das Hauptquartier, das man ausbauen und ebenfalls aufleveln kann, sogar daran haben Archon gedacht! Ich bin echt begeistert.
Die Minis
Die Miniaturen im Spiel sehen wie gesagt umwerfend aus. Ich würde am liebsten gleich losmalen, ein wenig geputzt hab ich bereits, wenn nur nicht immer noch eine Horde Skelettkrieger meinen Maltisch verstopfen würde.. Aber bald!
Es handelt sich hier wohl um mein nächstes großes Malprojekt, denn an Weihnachten will ich Aliens jagen, und so lang ist da ja gar nicht mehr hin.
Ich muss schließlich, wie die meisten normalen Menschen da draußen, auch noch ein wenig arbeiten gehen nebenbei…
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