Living Card Cames (LCGs) und Sammelkartenspiele (CCGs) – ein Vergleich

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Lese Zeit: 10 Minuten

Ich liebe die LCGs Arkham Horror: Das Kartenspiel, Marvel Champions und Der Herr der Ringe: Das Kartenspiel. Aber ich stehe auch auf das Collectible Card Game Magic The Gathering – immer noch, nach mehreren Jahrzehnten.

Was aber sind die grundlegenden Unterschiede zwischen diesen Spielsystemen? Und was zeichnet diese kartenbasierten Spiele aus? Darum geht es in diesem Artikel.


Sammelkartenspiele vs. Living Card Games

Zunächst möchte ich eine kurze Einleitung geben, denn nicht jeder wird mit den Begriffen Living Card Game und Collectible Card Game etwas anfangen können.

Sammelkartenspiele (TCGs oder CCGs)

Ursprünglich wurde der Begriff der LCGs (Living Card Games) als Kontrapunkt zu Sammelkartenspielen (TCGs – Trading Card Games oder CCGs – Collectible Card Games wie etwa Magic the Gaterhing oder Yu-Gi-Oh) erfunden.

Sammelkartenspiele gibt es seit den 1990ern, Magic The Gathering war 1993 das erste seiner Art. Sie zeichnen sich – einfach gesagt – dadurch aus, dass man nach dem Kauf eines Grundspiels / einer Einsteigerbox immer weitere, neue Booster-Packungen kaufen kann, die das Spiel praktisch endlos erweitern.

In diesen Booster-Packungen finden sich immer eine bestimmte Anzahl zufälliger Karten aus einer jeweiligen Editionsreihe. Je nach Seltenheitsgrad der Karten sind diese dann mehr oder weniger stark bzw. geeignet um ein eigenes, starkes Deck zu bauen. Man benötigt dann oft eine ganze Menge solcher Booster, um die gewünschten Karten aus der Edition zusammen zu bekommen: Man sammelt diese Karten also („collectible“), oder man tauscht sie mit Mitspielern („trading“).

So kann es schon mal passieren, dass man zwanzig oder mehr Booster-Packungen kauft, und immer noch Karten vermisst, die man gern für sein eigenes Traumdeck gehabt hätte. Oder man hat Glück, und findet auf Anhieb die besten Karten!

Der Antrieb, Booster zu kaufen und die Karten ähnlich wie die Sticker in einem Sticker Album zu sammeln, ist sehr stark – daher auch der Begriff Sammelkartenspiel.

Da die meisten Sammelkartenspiele kompetitiv angelegt sind, ist es aber auch nötig, sich immer bessere Karten zu besorgen, um im Spiel seine Gegner schlagen zu können, die schließlich ihrerseits auch immer weiter ihre Decks verbessern.

Turniere in den einschlägigen Kartenläden zu spielen ist ein Sport für sich, und so verwundert es nicht, dass dieses Hobby schnell sehr teuer werden kann, vor allem, wenn man versucht, in der Szene vorne mitzuspielen.

(Ich habe selbst nie Turniere gespielt, und dennoch ist meine Magic Sammlung ansehnlich!)

Aber um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde etwa Magic The Gathering immer noch ein tolles Spiel!  – Hier übrigens ein Blog dazu:

Living Card Games (LCGs)

LCGs basieren auf einem ähnlichen Prinzip wie CCGs: Zunächst wird zum Spielen eine Grundbox benötigt, das Spiel kann (und will) dann aber auch mit Hilfe von „Boostern“ bzw. Erweiterungs-Boxen ausgebaut werden.

Im Gegensatz zu Sammelkartenspielen ist der Inhalt dieser Erweiterungen aber festgelegt und dem Käufer im Vorhinein bekannt.

Es kommt also nicht dazu, dass man auf der Jagd nach einer ganz bestimmten Karte ewig viele Booster kaufen muss, oder sich auf Tauschbörsen herumtreiben (etwa Trader Online) viel Geld ablegen muss, wenn man eine bestimmte Karte sucht: Es ist einfach bekannt, welche Karten in welchen Sets enthalten sind.

Das hat für uns Spieler zunächst einmal den Vorteil, dass wir genau wissen, was wir einkaufen. Was aber wegfällt, ist der „Überraschungsei-Effekt“: Der Nervenkitzel, der das Aufreißen eines Magic-Boosters mitschwingt, bleibt weitgehend aus. Dafür aber freut sich zunächst vielleicht die Geldbörse.

Der zweite, große Unterschied von LCGs zu Sammelkartenspielen liegt aber im Spielstil:

Alle drei großen LCGs werden nämlich nicht kompetitiv (gegeneinander), sondern kooperativ (miteinander) gespielt! So gilt es meist, gemeinsam eine Begegnung, ein Szenario oder gar eine Kampagne zu bestehen. An deren Ende wartet dann häufig auch noch ein übermächtiger Bossgegner, der geschlagen werden muss, um das Spiel erfolgreich zu benden.

Kooperativ vs. Kompetitiv

Auf den ersten Blick sind LCGs und CCGs einander also relativ ähnlich.

Es handelt es sich um Kartenspiele, man kauft zum Einstieg eine Grundbox, erlernt die Regeln, und wenn man Lust hat, steigt man tiefer ins jeweilige System ein, indem man dann weitere Booster- / Erweiterungs-Packungen kauft, mit denen sich das Spielerlebnis beliebig vertiefen lässt.

Der fundamentale Unterschied besteht also in der grundlegenden Spielweise.

TCG/CCG: Kompetitives Spiel

Kompetitive Spiele sind Spiele, bei denen die Spieler gegeneinander antreten, um im Wettbewerb einen Sieger zu ermitteln. Der beste Spieler besiegt seine(n) Gegner und bleibt schließlich als alleiniger Gewinner übrig.

Dieses Ausschlussverfahren ermöglicht etwa auch die Abhaltung von Turnieren. Es gibt immer einen Sieger und einen Verlierer im PvP-Duell, am Ende kann es nur einen Gesamtsieger geben: Last Man Standing – The Winner Takes It All.

Diese Art zu spielen ist vorrangig darauf angelegt, Konkurrenz und Wettbewerb unter den Spielern zu fördern. Die Spieler streben danach, ihre Kartendecks immer weiter zu verbessern, um jeden möglichen Gegner schlagen zu können, bzw. um unterschiedlichsten Angriffen widerstehen zu können.

Die immensen Kartenpools, die den Spielern dabei aufgrund einer Unmenge an Editionen und Erweiterungen zur Verfügung stehen, sorgen zugleich dafür, dass es unmöglich bleibt, mit einem einzigen Deck immer auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Ein wirklich optimales Deck kann es dabei nicht geben. Stattdessen stehen einander immer nur relativ starke und relativ schwache Decks gegenüber, die ihrerseits unterschiedliche Spielstile bedienen und bestimmte Spielsituationen und mögliche Gegnerdecks antizipieren und dabei noch möglichst effizient mit den spielimmanenten Ressourcen umgehen.

(Ein Beispiel für eine Ressourcen-System ist etwa bei MTG das Mana-System: Länderkarten müssen ausgespielt werden, denn diese produzieren in jeder Runde das Mana, das dann wiederum zum Ausspielen weiterer Karten benötigt wird.)

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Spielfeld mit Spielunterlage

Der Deckbau bei diesen Spielen verfolgt daher auch eben diese ganz spezifischen Ziele:

Zum einen will der Spieler möglichst schnell möglichst viele mächtige Karten ausspielen können, wozu er so bald wie möglich eine Menge Ressourcen generieren muss. Dadurch will er einerseits seinen eigenen Weg zum Sieg sicherstellen (Angriff) und gleichzeitig dem Gegner eben diesen nach Möglichkeit verbauen (Verteidigung).

LCG: Kooperatives Spiel

Bei kooperativen Spielen besteht die Herausforderung immer darin, gemeinsam als Gruppe ein Ziel zu erreichen, gewisse Siegbedingungen zu erfüllen und so das Spiel selbst zu schlagen. (Diese Spiele eignen sich meist auch für reine Solo-Partien, in denen man mit einem oder mehreren Spiel-Charakteren gegen das Spiel antritt.)

Die Bedingungen für Sieg und Niederlage werden dabei vom Spiel immer selbst explizit vorgegeben. Jede Partie verfolgt wie gesagt eine gewisse Anzahl von Spielzielen, die erreicht werden müssen, um zu gewinnen.

Den Sieg in so einem Spiel trägt dann natürlich auch nicht ein einzelner Spieler davon (außer eben im Solo-Spiel), sondern immer die Gruppe als Gesamtheit: Die Spieler gewinnen oder scheitern immer gemeinsam.

Das Spielgefühl ist hier naturgemäß ein komplett anderes als bei kompetitiven Spielen.

(Es gibt übrigens auch eine Mischform, nämlich sogenannte „semi-kooperative“ Spiele, in denen die Spieler zwar bis zu einem gewissen Grad zusammenarbeiten müssen, um eine Partie nicht gegen das Spiel selbst zu verlieren, die aber dann letztlich doch von einem einzigen Spieler gewonnen werden, der den Sieg als einziger davonträgt.

Der Einfachheit halber klammere ich diese Kategorie hier vorerst aber einmal aus der Betrachtung aus.)

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Das Herr der Ringe LCG im Spiel

Kooperative Spiele können sich nun aufgrund ihrer Konzeption nicht auf jene Spannung verlassen, die durch den Wettbewerb der Spieler untereinander entsteht, wie sie bei PvP-Spielen ganz selbstverständlich vorherrscht. Es geht hier eben nicht darum, wer „besser“ oder „schlechter“ ist, und seinen Gegner daher schlagen kann, sondern darum, sich möglichst effizient untereinander abzustimmen und die Gruppe insgesamt möglichst gut zu unterstützen und zum Ziel zu führen.

Deckbau

Im Fall der Kartenspiele, die wir hier besprechen, hat das natürlich auch direkten Einfluss auf den Deckbau im Spiel.

Sowohl in LCGs als auch in CCGs repräsentiert das Kartendeck eines Spielers in der einen oder anderen Form immer den Spieler selbst.

Die Spieler versuchen im Idealfall nicht nur, ein Deck zu bauen, mit dem sie einem Szenario (oder einer ganzen Kampagne) möglichst stark und effizient begegnen können:

Sie versuchen auch, sich im Sinne der Kooperation mit ihren Mitspielern abzustimmen.

Entsprechend einer gewissen Rollenverteilung können sie zum Beispiel ihre Fähigkeiten ganz gezielt so verteilen, dass sich die Spielercharaktere im Gesamten optimal ergänzen.

Auf diese Weise kann bei LCGs im Vergleich sogar eine zusätzliche Ebene an Komplexität hinzukommen, die bei kompetitiven Spielen nicht vorhanden ist.

Exkurs: Ein Werte-Vergleich kooperativ vs. kompetitiv

Man kann an dieser Stelle fragen, welche Art von Spielen gesellschaftlich „wertvoller“ sein mag: kooperative oder kompetitive Spiele? Und das Urteil wird (nicht zuletzt aufgrund der leicht suggestiven Fragestellung) wahrscheinlich zugunsten kooperativer Spiele ausfallen.

Schließlich – so könnte man argumentieren – herrscht in unserer Welt schon genug Gegeneinander, und deshalb ist es doch augenscheinlich besser / moralischer / sinnvoller Spiele zu spielen, die unsere Zusammenarbeit und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern, und nicht den Kampf gegeneinander.

Ich plädiere aber an dieser Stelle dafür, es sich bei dieser Frage nicht zu einfach zu machen.

Zugegeben: Kooperative Spiele tragen ihren „sozialen Wert“ offen vor sich her: Es scheint zunächst logisch, dass Spiele, die uns quasi zwingen uns miteinander zu unterhalten und gemeinsam ein Ziel zu verfolgen, auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Spiele, bei denen wir zusammenarbeiten müssen, können uns natürlich auch lehren, wie wir gemeinsam Ziele erreichen.

Kompetitive Spiele sind hingegen darauf angelegt, dass wir gegeneinander kämpfen! Der Stärkere gewinnt, der Schwächere verliert. Das klingt vom Konzept her bereits „unsozial“ und fragwürdig. (Diese verkürzte argumentative Sichtweise wird übrigens auch gern in der Diskussion rund um bestimmte Computerspiele verwendet.)

Allerdings handelt es sich dabei um eine Vereinfachung, die als generalisierende Aussage einfach falsch ist.

Richtig ist vielmehr, dass beide Arten zu spielen immer mehr als nur einen Weg einzigen eröffnen, etwas auch in der realen Welt Nützliches und Positives zu erlernen. Und auf der anderen Seite kann auch das, was zunächst rein positiv erscheinen mag, kann auch negative Auswüchse hervorbringen.

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So können kooperative Spiele zwar tatsächlich die Zusammenarbeit und damit den Zusammenhalt fördern; es besteht hier aber immer auch die Gefahr, dass sich ein einzelner Spieler über die Gruppe erhebt und diese dominiert.

Dieses als „Alpha-Gamer“ bekannte Phänomen kennen wahrscheinlich alle Spielgruppen in der einen oder anderen Ausprägung:

Ein erfahrenerer Spieler sagt allen anderen am Tisch, welches der beste nächste Spielzug / die bessere Kartenwahl / die „richtige“ Reihenfolge möglicher Aktionen im Spiel wäre. Alle anderen Spieler müssen werden zu ausführenden Organen eines Anführers, und häufig handelt es sich dabei noch nicht einmal um den besten Spieler in der Gruppe, sondern einfach nur um den lautesten.

Das führt schnell zu Frust und Unmut am Spieltisch: Mitglieder der Gruppe fühlen sich in ihrer Freiheit beschnitten oder kommen gar nicht erst zu Wort, während sich ein einzelner Spieler auf Kosten der anderen in der Partie selbst verwirklicht.[1]

Wir sehen: Kooperativ ist nicht per se positiv.

Kompetitive Spiele auf der anderen Seite haben dieses „Alpha-Gamer“-Problem nicht, denn hier gilt von vornherein „jeder gegen jeden“.

An gesellschaftlich wertvollen Eigenschaften gibt es auch hier jede Menge zu lernen, nicht zuletzt auch, wie man verliert! Denn gut verlieren zu können, ist zweifellos eine Fähigkeit, die uns auch im Alltag zugutekommen kann.

Außerdem könnte uns kompetitives Spielen grundlegend „lehren“, uns in einem wettbewerbsorientierten Umfeld zurecht zu finden. Selbst wenn man ideologisch etwa dem Kapitalismus mit seinem inhärenten Recht des Stärkeren kritisch gegenübersteht, dürfte doch klar sein, dass die Fähigkeit sich in einer kompetitiven agierenden Gesellschaft zu bewegen, wertvoll sein kann.

Kompetitives Spielen ist also auch nicht per se negativ. Vielmehr bietet es andere Formen der Interaktion und damit andere Möglichkeiten, sich spielerisch auszuprobieren.

Und das ist – so meine ich – auch der wichtigste Aspekt, den man in einer moralisierenden Diskussion über Spiele immer mitbedenken sollte:

Spiele stellen einen besonderen Raum der Interaktion dar, der durch einen festen Regelsatz begrenzt ist, und der es den Spielern ermöglich, in einem vom Ernst der realen Welt abgetrennten, geschützten Bereich zu agieren und miteinander zu interagieren.

Nach dieser Definition sind Spiele nicht mehr und nicht weniger als Testballone für gesellschaftliches Miteinander.

Man sollte im Übrigen ohnehin nicht zu viel von ihnen erwarten oder in sie hineininterpretieren. Für die Spieler selbst geht schließlich immer zuerst einmal darum, eine gute Zeit zu verbringen und Spaß zu haben.

Schlusswort

Soweit also ein erster Vergleich zwischen Living und Collectibe bzw. Trading Card Games.

Im nächsten Artikel werde ich mich ausführlicher mit den drei großen LCGs beschäftigen: Arkham Horror, Marvel Champions und Herr der Ringe.

Bis dahin: Schönes Spiel!

Euer Christian.


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[1] An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass das Alpha-Gamer-Phänomen selbst wieder ein positives Lernfeld sein kann, an dem die Spieler einer Gruppe wachsen können: Denn nicht urteilend oder konfrontativ mit einem Alpha-Gamer in der eigenen Spielegruppe umgehen zu können, ist eine große Lernaufgabe. Und sich gegen so einen Mitspieler durchzusetzen – oder als sich als Alpha-Gamer zu erkennen und den anderen einmal das Feld zu überlassen – , kann eine sehr bereichernde und lohnende Erfahrung sein.

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