Was macht ein gutes Spiel aus?

Deep Madness Spielbericht Miniaturen bemalt
Lese Zeit: 6 Minuten

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Deep Madness, Dezember 2019

Ich spiele seit Jahren, in den letzten Jahren mehr und intensiver als zuvor. Wenn ein neues Spiel in die Sammlung kommt, bin ich oft richtig euphorisch: Vom Auspacken und Anfassen der Teile, dem Heraustrennen der Komponenten aus den Stanzbögen und dem Begutachten der Miniaturen, der Lektüre des Regelheftes, bis endlich zum ersten Spiel: Es ist alles furchtbar aufregend, spannend, geil! Und doch verschwinden viele Spiele wieder in den Tiefen der Sammlung.

Aber welche Spiele bleiben? Was macht ein Spiel aus, das nicht nur drei-, viermal auf dem Tisch landet, sondern immer wieder, vielleicht über Jahre hinweg? Wie muss ein Spiel beschaffen sein, damit wir es immer wieder aus seinem Schlummer wecken und ans Licht holen? Wann sticht ein Spiel aus der „Wall of Shame“[1] hervor?

Eins scheint sicher zu sein: Die Antwort liegt in einer Vielzahl von Eigenschaften, die das Spiel besitzen muss, nicht in einer einzigen. Bei der Menge an Brettspielen, die jährlich das Licht der Welt erblicken, reicht eine einzige, geniale Komponente nicht mehr aus, um hervorzustechen, denn eine geniale Komponente haben mittlerweile viele Spiele, nicht nur eine Hand voll.

In Wahrheit kommt es darauf an, eine möglichst gelungene Kombination von vielen verschiedenen, genialen Komponenten in einem Spiel zu vereinen. (Damit sind Brettspiele, wie so oft, wieder einmal ein Abbild des echten Lebens um uns herum: Um sich von der Masse langfristig abzuheben, genügt es nicht, ein One-Hit-Wonder zu sein, da gehört immer noch mehr dazu.)

Die Beurteilungskategorien

Was also sind solche Komponenten, die ein Spiel einzigartig und wenn gut ausgeführt auch großartig machen können? Welche Kategorien – ganz allgemein gesprochen – verbinden wir überhaupt mit Brettspielen, wenn wir sie bewerten, ob nun bewusst oder unbewusst?

Ich will hier einmal versuchen eine mögliche erste Antwort auf die Frage zu geben, was ein Spiel wirklich besonders macht. (Zugleich lässt sich mit Hilfe dieser Kategorien auch überlegen, warum ein Spiel etwa nicht so toll ist.)

Die vier Kategorien:

  • Thema
  • Design
  • Spielablauf
  • Aufbereitung

Sehen wir uns diese Kategorien etwas genauer an.

Thema

Beim Thema geht es darum, in was für eine Welt uns ein Spiel entführt. Das kann von der alltäglichen Vielfalt der Vögel in unserer Umgebung (Flügelschlag) über prähistorische Dinosaurier (Dino World) bis hin zur Oberfläche des Mars (Terraforming Mars) alles sein. Um manche Themenkomplexe haben sich gar eigene Nischen entwickelt, die mittlerweile so groß sind und selbst so viele verschiedene Spiele hervorgebracht haben, dass der Begriff Nische eigentlich schon wieder eine irreführende Untertreibung ist: z.B. die Welt von H.P. Lovecraft und seinen Mythen um Cthulhu und Konsorten.

Ob die Welt, in die uns ein Spiel entführt, nun aufregend, schön, lustig, gruselig oder auch einfach nur seltsam und schräg ist, das Thema muss uns in seinen Bann schlagen und fesseln, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. (Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass eine meiner ersten großen Lieben diesbezüglich Shadows of Brimstone ist, ein Dungeoncrawler, bei dem Helden aus dem Wilden Westen auf Gegner und Monster erst in Goldminen und dann in verschiedenen Welten treffen. Diese sind innerhalb des Spiels so vielfältig, wie die Fantasie – und die Geldbörse – es zulassen.)

In jedem Fall geht es beim Thema darum, dass unsere Fantasie angeregt wird, und dass wir eintauchen können in ein außergewöhnliches Erlebnis.

Design

Das Design eines Brettspiels ist als Kategorie eng verwandt mit dem Thema. Es dient dazu dieses zu transportieren und die Spieler möglichst effektiv mitzunehmen in die Welt des Spiels.

Vordergründig dient das Design erst einmal dazu, im Laden unseren Blick zu fangen und unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Wie auch bei Büchern, die man zwar nicht nach der Verpackung beurteilen soll, dies aber doch oft tut, urteilen wir unbewusst schon beim Ansehen der Schachtel, ob das Spiel vor uns etwas sein könnte, das uns interessiert oder nicht.

Aber wirklich wichtig ist das, was IN der Schachtel ist: Wie sieht das Spielbrett aus, wie sind die Karten gestaltet, sind die Tokens leicht ihrer Funktion zuzuordnen? Wenn erst einmal alles toll aussieht, gut designet und wertig umgesetzt ist, macht allein das Auspacken und Anfassen der Komponenten eine riesige Freude.

Aber dann geht es auch darum, ob das Design auch das Thema gut umsetzt, ob es zu diesem passt. Wenn Miniaturen und Spielbrett etwa eine Einheit bilden, die optisch stimmig zum Setting des Themas passt, dann befördert das die „Immersion“ (engl. „Eintauchen“), die Möglichkeit für den Spieler, sich in die Welt des Spiels hinein zu versetzen und darin zu agieren. Dadurch erst entsteht der berühmte „Film im Kopf“. (Auf geniale Weise umgesetzt ist diese Verschmelzung von Thema und Design im Genre der sogenannten Tabletop Spiele, wo möglichst detailliert bemalte Spielfiguren auf möglichst realistisch gestalteten Spielflächen einander als Kämpfer gegenüber treten und sich die Spieler in cineastischen Schlachten und epischen Duellen verlieren können.)

Aber das beste Design und das spannendste Thema machen kein Spiel großartig, sondern höchsten schön und cool. Was nötig ist um überhaupt ein Spiel zu sein, sind die Spielregeln, die den Spielablauf festlegen: die Mechanik des Spiels.

Spielablauf

Und dieser Teil ist für Spieledesigner der wohl kniffligste, denn die Art und Weise, wie die einzelnen Komponenten eines Spiels ineinandergreifen, macht erst das Spiel an sich aus. Und die Möglichkeiten sind hier nahezu endlos.

Gibt es ein Spielbrett? Wenn ja, befinden sich darauf Felder? Gibt es Figuren? Wenn ja, wie bewegen sie sich über diese Felder? Wann ist wer an der Reihe? Werden Karten ausgespielt oder eingesetzt? Wozu? Wird gewürfelt? Wann? Mit welchen Würfeln? Und mit wie vielen? Gibt es eine Spielerreihenfolge? Wie lange dauert ein Zug? Was kann man in einem Zug machen? Spielen die Spieler mit- oder gegeneinander? Oder beides? Oder braucht es einen Spielleiter? Wie lange dauert eine Partie? Hängen mehrere Partien zusammen? Wer bestimmt, wann wer mit wem was gegen wen und wie und überhaupt und eigentlich..

Es würde den Rahmen dieses Artikels deutlich sprengen, auch nur annähernd alle Mechaniken zu beleuchten, die uns in Spielen begegnen. Und man möchte meinen, es wäre alles schon erfunden, aber jedes Jahr kommen immer noch neue Spiele auf den Markt, die etwas anders, neu, ja zum Teil sogar revolutionär (ein großes Wort) machen, was die Mechanik anbelangt.

Egal, wichtig ist: Der Spielfluss muss stimmen! Es braucht die richtige Balance zwischen anspruchsvoll, nachvollziehbar und knifflig, überraschend und ausgeklügelt, um uns als Spieler zu überzeugen. Ein Spiel, das gut läuft, ist nicht zu schwierig und nicht zu einfach, es hat genau die richtige Mischung aus komplexen Regeln, die unglaublich viele Möglichkeiten eröffnen, und Einfachheit, damit man den Überblick über diese Regeln nicht verliert, was sonst leicht zu Frust führt.

Das Feld der Spielmechaniken und Regeln ist natürlich – wie Thema und Design im Übrigen auch – stark von subjektiven Vorlieben geprägt. Nicht jeder mag Co-Op (kooperative Spiele), der eine kann keine Karten leiden, ein anderer findet Würfel langweilig. Wenn ein Spiel hier einen Nerv trifft, ist dieser vielleicht ein Nerv von vielen, aber sicher nie einer von allen.

Dennoch macht ein großartiges Spiel auch in diesem Bereich alles richtig: Es flutscht einfach, egal ob es einen ganzen Nachmittag dauert oder fünf Minuten, das Spiel zu spielen fühlt sich einfach nur toll an! Es fordert uns, stellt uns vor Entscheidungen und belohnt oder bestraft uns, es interagiert auf anregende Weise mit uns und wir darin vielleicht auch miteinander.

Und zu guter Letzt braucht ein wirklich sensationelles Spiel auch eine gute Aufbereitung.

Aufbereitung

Die Art und Weise, wie sich die Komponenten anfühlen, die Haptik der Spielkarten, Marker, das Gewicht der Würfel, kurzum, die Qualität der physischen Verarbeitung der Teile beeinflusst den Gesamteindruck noch einmal ganz entscheidend.

Die großen Player in der Spielebranche setzen hier Maßstäbe, egal, wie man sonst zu ihnen stehen mag. So sind die Miniaturen von Games Workshop für ihre diversen Tabletop Systeme sind zwar teuer, aber die Wertigkeit der Modelle spricht Fans an. Die Karten, Spielfiguren und modularen Spielbretter von Fantasy Flight sind Top Standard, und von X-Wing will ich gar nicht erst reden, da macht der Hersteller in Punkto Verarbeitung alles richtig. Und CMON hat sich seinen Platz unter den Großen mit Hilfe großer Mengen von gut gemachten Plastikminiaturen in ihren Spielen gesichert, man denke an die Zombicide Reihe oder Rising Sun.

Die Kombination der Kategorien

Wenn es ein Spiel nun schafft, in allen vier Kategorien zu überzeugen, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Wer seine Sammlung einmal in Augenschein nimmt, wird wohl feststellen, dass seine Lieblingsspiele in diesen Punkten …punkten. Gut designte, thematisch solide Spiele mit exzellenten Regeln und einem „smoothen“ Ablauf, bei denen sich auch die Einzelteile gut anfühlen? Davon kann man nicht genug in seiner Sammlung haben.


[1] Wall of Shame: Ausdruck für eine Spielesammlung, meist in Form einer Regalwand, in der sich Spiele türmen, die darauf warten, endlich einmal gespielt zu werden.


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