Ein Spiel „falsch“ spielen

Das Ältere Zeichen, Elder Sign, Würfelspiel, Jazzie-like game, Spielaufbau, Cthulhu Theme
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HASHTAGS: #Thunderstone #Spielregeln #Deckbuilding #SpielFehler #Spielerfahrung #Erweiterungen #Spielentdeckung #Spielspaß #Regelerklärung #Lernprozess #Spielleiter #Boardgames #TabletopGames


Ist das Spiel kaputt?

Heute haben wir zu dritt Thunderstone gespielt, das alte, ursprüngliche: ein Kartenspiel, bei dem die Spieler im Dorf ihr Deck aufrüsten und im Dungeon gegen Monster kämpfen.

Ich habe vor ein paar Jahren eine Schachtel zu einem guten Preis erstanden und es mit meiner Familie sofort leidenschaftlich gespielt. Es war ein schönes Spiel, sehr ähnlich wie Dominion (auch ein Deck-Builder), nur mit etwas mehr „Story“, wenn man so will.

Dann, nach ein paar Monaten, habe ich auf willhaben.at eine ganze Sammlung von Erweiterungen gefunden und erstanden: fünf im Handel vergriffene Boxen, die mir sicher gefallen würden (hoffte ich) und dazu noch für einen fairen Preis.

Zunächst aber blieben wir noch beim Grundspiel – wir sind als Familie offenbar etwas konservativ veranlagt, wenn es darum geht, unseren gewohnten Spielfluss zu adaptieren.

Mit der Zeit stolperten wir allerdings nun immer wieder darüber, dass manche Partien ungleich länger dauerten als andere. Oft, wenn wir die ersten beiden der vier ausgelegten Heldenstapel im Dorf für unsere Decks nutzen wollten, funktionierten die verbleibenden Helden plötzlich nicht mehr: Es war uns aufgrund der Kosten- und Erfahrungspunkte-Aufteilung einfach nicht mehr möglich, diese zu erwerben, und so blieben sie im gesamten Spiel unbenutzt liegen.

Wenn wir es doch versuchten, gab der Dungeon nicht genug Erfahrungspunkte her um alle Heldenklassen parallel aufzuleveln, und ohne die entsprechenden Helden war es irgendwann unmöglich, im Dungeon gegen die Monster zu kämpfen. Einige Spiele haben wir dann frustriert ins Leere laufen lassen, indem wir uns den Monstern einem nach dem anderen entgegen warfen, ohne es besiegen zu können (wodurch diese einfach aus dem Dungeon entfernt werden, ohne Punkte zu bringen), nur um das Monsterdeck schnell leer zu  machen und das Spiel endlich zu beenden.

Das klingt nicht nach einem guten Spiel, ich weiß.

Trotzdem haben wir immer wieder zu Thunderstone gegriffen, weil es einfach ein cooles ist: In einen Dungeon gehen, Monster bekämpfen, im Dorf Waffen und Zauber kaufen, sein Deck aufbauen, immer stärkere Monster mit dem eigenen, immer stärkeren Deck bekämpfen, und am Ende siegen oder verlieren, je nachdem, wer die meisten Siegpunkte erlangt hat. Das Spiel ist nicht kompliziert, lässt sich auch mit jüngeren Spielern gut spielen und bietet durch den Deckbau doch immer wieder interessante Herausforderungen im Spiel neue Wege zu suchen und sich selbst zu verbessern.

Ups…

Irgendwann habe ich dann das Regelbuch doch noch einmal zur Hand genommen, weil ich nicht glauben wollte, das das Spiel so einen eklatanten Fehler in seinen Regeln hatte, dass manche Partien einfach nur richtig mies laufen. Thunderstone hatte auf BGG eine gute Bewertung, eine Reihe Fans, es konnte also eigentlich nicht kaputt sein, oder?

Und siehe da: Das Spiel hatte gar keinen Fehler. Ich selbst habe beim Lesen des Regelhefts einfach nur eine Zeile übersehen:

Wir hatten bisher so gespielt, dass man im Dorf Helden ausschließlich durch Erfahrungspunkte aufleveln kann. Richtig ist aber, dass man dieselben Helden (zusätzlich zur Möglichkeit mit Hilfe der Erfahrung aufzuleveln) auch ganz einfach für die im Spiel üblichen Münzen kaufen kann, wie alle anderen Dorfkarten auch!

Was für eine Erkenntnis!

Jetzt aber richtig!

Weil wir das Spiel so lange und so oft falsch gespielt haben, muss ich heute oft immer noch nachschauen, wie es denn nun richtig gespielt wird.

Und weil es wegen dieses simplen Fehlers nicht wirklich funktioniert hat, haben wir auch all die gekauften Erweiterungen bis vor kurzem gar nicht erst ausprobiert!

Ich dachte damals, dass derjenige, der all die Schachteln verkauft hatte, sich wohl von dem Spiel getrennt haben muss, weil er genauso frustriert davon war, wie ich selbst zeitweise.

Und nun – „Tadaa!“ – haben wir unsere erste Partie auch mit einer Erweiterung gespielt. Und es war super!

Wir haben endlich einmal andere Helden verwendet, haben auch neue Dorfkarten ausliegen gehabt, die ein völlig neues Deckbauerlebnis ermöglichten. Wir haben gegen neue Monster gekämpft, und es gab sogar Schätze zu heben! – obwohl wir diese wegen unserer Ungeschicklichkeit im Spiel diesmal nicht erringen konnten. Aber sie waren da, und es hat richtig Spaß gemacht!

Und jetzt haben wir auch endlich wieder Lust auf die anderen Erweiterungen.

Ich bin jetzt richtig gespannt, wie sich das Spiel anfühlt, wenn andere Bossgegner dazu kommen, wenn das Dorf vielleicht von einem Wall umgeben ist und man dadurch noch mehr eine Geschichte spielt. Ich bin auch gespannt auf den Coop-Modus, obwohl ich diesen bei gerade dieser Art von Spiel nicht wirklich vermisst habe. Ausprobieren will ich ihn auf jeden Fall.

Und jetzt bin ich auch wieder hin- und her gerissen, ob ich mir nicht doch auch die neue Edition von Thunderstone zulegen soll. Jedenfalls werden wir dran bleiben an diesem Spiel, es hat einen festen Platz in unserer Sammlung.

Das Regelheft

Rückblickend stellt sich mir die Frage, ob ich wohl der ganz besondere Einzelfall eines dummen Spielers bin, oder ob es auch anderen manchmal so geht wie mir? Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass jeder bei einem Spiel immer gleich zu Beginn alle Regeln richtig umsetzt oder sie sich auch nur alle merkt.[1]

Ich finde jedenfalls, bei etwas komplexeren Spielen immer alle Regeln richtig hin zu bekommen, ist nicht einfach. BGG und YouTube bieten hier unschätzbare Hilfe: In Foren tauschen sich Spieler über ihre Probleme aus und auf YouTube finden sich Regelerklärungen zu immer mehr Spielen.

Dennoch muss man wohl erst einmal erkennen, dass man etwas falsch macht, bevor man ein Problem korrigieren und sich verbessern kann.

Niemanden sollte diese Komplexität aber abhalten, sich an etwas aufwändigere Spiele zu wagen. Ich kann bezeugen, dass man auch mit einer etwas holprigen oder löchrigen Regelinterpretation Spaß haben kann! Die Freude, einen Fehler zu entdecken und plötzlich festzustellen, dass ein gutes Spiel nun auf einmal richtig, richtig toll ist, ist nicht zu unterschätzen.

Und wieder einmal stellen Spiele auf diese Weise ein Lernfeld für unser tägliches Leben dar: Nur wer spielt, gewinnt! Und wer Fehler macht, kann aus ihnen auch lernen!

(Ich versuche übrigens trotzdem, die Regeln eines Spiels gleich richtig hin zu kriegen. Einige Mitspieler könnten weniger tolerant sein als es meine Familie ist…)


[1] Ich will an dieser Stelle auch darauf verweisen, wie wichtig es ist, ein übersichtliches und klar strukturiertes Regelheft für ein Spiel zu haben: Massenhafter Fließtext macht es dem Lernenden nicht eben leicht, sich jede Nuance eines Spiels anzueignen, und essenzielle Regeln sollten zusammengefasst und leicht auffindbar dargelegt werden. Nur mal so als Bitte an manche Entwickler in den Raum gestellt.


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