Depression? – Wenn das Brettspiel Hobby keinen Spaß macht
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Brettspiele und Entscheidungen
Ich habe hier auf dem Blog schon ein paar Mal darüber gesprochen, aber aus aktuellem Anlass möchte ich das Thema wieder einmal aufgreifen:
Was, wenn man eigentlich spielen möchte, aber doch irgendwie keine Lust hat zu spielen? Was, wenn man da blockiert ist?
Brettspiele sind grundsätzlich eine wunderbare Sache: Wir verbringen Zeit mit Herausforderungen, erleben Erfolge und Niederlagen, schöne Geschichten und Gefühle, allein oder mit Freunden.
Nur manchmal wird einem das Hobby eben auch zu viel: Wer für eine Weile Spiele gesammelt hat, der kommt wohl unweigerlich einmal an den Punkt, an dem er vor dem Regal steht und sich fragt: Für welches Spiel soll ich mich nun entscheiden?!?
Und vielleicht kennst du das: Je länger du dann vor diesem Regal steht, und je größer deine Auswahl ist, desto schwerer fällt diese Entscheidung. Es kann sich sogar richtiggehend lähmend anfühlen, dieser Unentschiedenheit ausgeliefert zu sein.
Und vielleicht lässt du es dann lieber ganz bleiben. Du gibst auf, spielst gar nichts, und legst dich stattdessen aufs Sofa und scrollst im Internet herum.
Bei mir ist es jedenfalls manchmal so.
FOMO – Fear of missing out
Über Fomo im Zusammenhang mit unserem Kaufverhalten vor allem auf Kickstarter habe ich bereits in einem eigenen Blogbeitrag geschrieben (siehe hier: Kickstarter und der Fomo-Train). Aber diese berühmte Fear of missing out ist kein Phänomen, das allein auf die glänzende Welt des Konsums beschränkt wäre.
Unsere Angst etwas zu verpassen berührt in unserer global vernetzten Welt vielmehr jeden Bereich des täglichen Lebens. Denn uns stehen unendlich viele Möglichkeiten offen, wie wir unser Leben gestalten wollen, was zwar einerseits toll ist, uns andererseits aber unweigerlich auch dem Gefühl aussetzt, dass wir immer zu wenig zu schaffen.
Es gibt zwar unendlich viele Möglichkeiten, aber unsere Zeit ist begrenzt. Sie ist sogar tatsächlich endlich, auch wenn wir darüber nicht gerne nachdenken.
Doch genau dieses Nachdenken über unsere endliche Zeit ist wahrscheinlich nötig, wenn wir mit diesem Gefühl von Unzulänglichkeit und Versagen richtig umgehen wollen, das uns immer wieder beschleicht.
Wir sollten vor der Realität nicht davonlaufen. Wir dürfen uns, was unsere Entscheidungen betrifft, nicht in Fantasien verlieren: Denn in unserer Fantasie können wir theoretisch immer alles schaffen, was wir wollen, in der Realität aber nun mal nicht.
Um es noch einmal zu sagen: Unsere Möglichkeiten sind unendlich, unsere Zeit ist es nicht.
Was aber hat das konkret mit unserem Spiele-Hobby zu tun, und wie kann uns das helfen, aus eine „Brettspiel-Depression“ herauszukommen? Dazu komme ich gleich, bleibt bitte kurz noch bei mir!
Verzicht als Befreiung
All diese Gedanken, die ich hier beschreibe, sind nicht wirklich neu. Sie sind auch gar nicht sonderlich originell, sie sind nur in unserer Welt, in der Selbstoptimierung eine so zentrale Rolle spielt, etwas in Vergessenheit geraten.
Die meisten Ideen und Leitsätze, auf die ich mich hier beziehe, stammen übrigens aus einem Buch, das mir unlängst in die Hände gefallen ist, und das mich wirklich gepackt hat, wie selten ein Buch: 4000 Wochen – Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement von Oliver Burkeman. (Einen Link dazu findet ihr am Ende dieses Blogs.)
Ich paraphrasiere hier mal ein wenig:
Wenn wir sowieso nicht alles machen können, worauf wir theoretisch Lust hätten, weil wir einfach nicht unendlich viel Zeit zur Verfügung haben, dann wäre es doch besser, wenn wir uns ganz bewusst entscheiden würden, bestehende Möglichkeiten nicht zu nutzen. Schließlich haben wir diesbezüglich eigentlich gar keine Wahl: Alles können wir nicht machen.
Selbst das Aufschieben von Entscheidungen kann uns nicht helfen alle Möglichkeiten offen zu halten: Die Zeit vergeht nämlich trotzdem!
Was Burkeman in seinem Buch propagiert ist im Gegensatz zu Fomo, der „fear of missing out“ dann eine JOMO – die „Joy of missing out“!
Das ist kein Scherz!
Denn sich bewusst für einen Weg zu entscheiden, und damit alle anderen Wege auszuschließen, verleiht der gewählten Variante erst wirklich Bedeutung, und damit einen eigenen Wert!
Durch die Entscheidung für etwas und das gleichzeitige, bewusste Ausschließen aller anderen Möglichkeiten erheben wird die gewählte Variante sozusagen über alle anderen.
Und genau dieses Bewusstsein des Verzichts auf alle anderen, unendlich vielen Möglichkeiten, die wir sowieso nicht alle nutzen können, ist der Schlüssel: Daraus können wir nämlich letztlich auch Zufriedenheit und Freude („Joy“) ziehen!
Wie lässt sich das nun auf unser Spiele-Hobby übertragen?
Wie gesagt, es kommt immer wieder vor, dass wir vor der Wahl stehen: Welches Erlebnis wollen wir haben, welches Spiel wollen wir spielen?
Im weiteren Sinne trifft das auf unser gesamtes Kaufverhalten als Spiele-Konsumenten zu, im engeren Sinne aber eben auch auf uns als Spieler, wenn wir vor einem übervollen Regal mit unzähligen Möglichkeiten verzweifeln.
Wir können uns nämlich auch in solchen Situationen, wenn das Übermaß an Möglichkeiten uns zu lähmen droht und uns förmlich erschlägt, ganz bewusst entscheiden, auf bestimmte Erlebnisse zu verzichten: Wir legen uns einfach mal fest.
Eine solche Wahl muss übrigens nicht perfekt sein – das wird sie in wohl auch nicht sein. Sie muss nur stattfinden.
(Das gleiche Prinzip lässt sich etwa auch anwenden, wenn man auf einer beliebigen Streaming Plattform nach Inhalten sucht…)
Welche Wahl man auch trifft – welches Spiel wir auch aus dem Regal ziehen -, es wird mit Sicherheit niemals alle unsere Erwartungen erfüllen, die wir ganz allgemein an Spiele haben: Das kann ein einzelnes Spiel gar nicht.
Um zu verdeutlichen, was ich damit meine:
Ein Spiel kann nicht gleichzeitig ein schnelles Würfelspiel und ein immersives, episches Kampagnenspiel sein, in dem der Zufall in den Hintergrund tritt. Es kann nicht auch noch vollgepackt sein mit Tokens, Minis, Kartendecks und allen anderen Goodies, die man sich vorstellen kann, und gleichzeitig auf einem Campingtisch Platz finden. Es kann nicht unendlich viel Tiefe haben, mit grandioser Story, und zugleich kurze, schnelle Regeln…
Das alles wissen wir natürlich, aber es ist uns nicht immer bewusst!
In unserer Fantasie und Vorstellung können diese Wünsche nämlich durchaus gleichzeitig und nebeneinander existieren und sich auch auf die gleichen Dinge beziehen. Allein in der Realität funktioniert das so nicht.
Fantasie vs Realität
Das ist alles etwas philosophisch, ich weiß. Aber es kann durchaus handfeste Auswirkungen auf unser Verhalten haben, wenn wir uns diese unterbewussten Prozesse bewusst machen – wenn wir erkennen, wie unser Denken in Bezug auf die Zukunft und unsere Wünsche funktioniert.
So ein Realitäts-Check ist eigentlich immer gesund, wenn auch nicht immer leicht durchzuführen. Er erfordert nämlich das Eingeständnis, dass unsere Vorstellungen eben genau das sind: Fantasie, Wunsch, Gedanken, nicht Wirklichkeit.
Haben wir diese Tatsache aber erst einmal vor Augen, wenn wir vor dem Regal stehen und uns für ein bestimmtes Spiel entscheiden müssen, dann kann diese Wahl nun bedeutend leichter fallen: Wir sind uns nämlich schon bewusst, dass wir nicht gleichzeitig alle anderen Spiele auch spielen können.
Unsere Wahl erhält durch dieses Bewusstsein Bedeutung:
Es fühlt sich ganz einfach anders an: nämlich besser.
Vergleichen wir unsere Gedanken, wenn wir also einen Titel aus dem Regal nehmen:
- „Dieses Spiel will ich jetzt spielen, alle anderen spiele ich jetzt bewusst nicht.“
Und im Gegensatz dazu:
- „Dieses Spiel will ich jetzt spielen, alle anderen kann ich leider nicht spielen.“
Ich denke, der Unterschied ist offensichtlich, nicht?
Ausblick
Die Dinge, von denen ich hier rede, sind ein weites Feld. Klügere Menschen, als ich es bin, haben sich mit diesem Thema befasst und viele schlaue Dinge gesagt. Wichtig ist aber, dass wir uns unsere Denkprozesse ab und zu bewusst machen, denn erst dann können wir mit ihnen umgehen und sie verändern.
Zu diesem Thema habe ich übrigens auch ein Video gemacht, das findet ihr hier auf dem Spiele Baron Youtube Kanal:
Und wenn euch das Thema auch auf einer grundsätzlicheren Ebene interessiert, empfehle ich euch hier nochmal das Buch von Oliver Burkeman: Es ist wirklich eine Offenbarung und sticht heraus unter all den anderen Selbsthilfe-Ratgebern.
Aber egal, für welches Spiel ihr euch als nächstes entscheidet: Ich wünsche euch ein schönes Spiel und vor allem: ganz viel JOMO! 😊
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