20 Strong – Würfelspiel

Spielmaterial von 20 Strong mit Erweiterung Solar Sentinels auf dem Tisch ausgebreitet: Schachtel, Anleitung, Karten, Würfel
Lese Zeit: 9 Minuten

1 Spieler, 30-40 Minuten, ab 14 Jahre

Designer: Josh J. Carlson, Chip Theorie Games 2023

HASHTAGS: #20Strong #ChipTheoryGames #TabletopGaming #Würfelspiel #SoloSpiel #Spielrezension #BoardGames #Tabletop #GamingCommunity #Spielmaterial #SolarSentinels


Chip Theory Games

Die Firma Chip Theory Games (CTG) ist bekannt für ihre außergewöhnlich hochwertigen Spielmaterialien und ein einzigartiges, ausgefeiltes und kniffliges Gameplay in ihren Spielen. CTG hat nicht viele Titel im Programm, aber immer qualitativ hochwertige:

Too Many Bones ist wohl das Aushängeschild der Firma, ein Dungeon Crawler mit einzigartigen Charakteren in einem schrägen Fantasy Setting: Dice Placement meets Pokerchips on Neopren Battle Mat.

Pokerchips als Spielkomponenten sind wohl das Alleinstellungsmerkmal von Chip Theorie Games (sic!), und schöne W6 Custom-Würfel gehören wohl auch immer dazu.

Aushängeschilder von Chip Theory Games

Und nun als neuestes Spiel also 20 Strong…

Solo-Spiel: 20 Strong

20 Strong wurde – wie die anderen Spiele der Firma auch – per Kickstarter ins Leben gerufen, ist aber in Folge auch im Fachhandel erhältlich. Und im Gegensatz zu den anderen Spielen der Schmiede ist es ein kleines Spiel.

Nun, Größe allein ist noch keine Besonderheit. Das Spielsystem selbst zeichnet 20 Strong natürlich auch aus!

Mit der Grundbox erhält man zunächst einmal ein Spielsystem, eine Art „Rahmen“, der dann in weiterer Folge noch Erweiterungen benötigt, um spielbar zu sein. (Eine solche Erweiterung ist im Paket auch immer enthalten, man erhält beim Kauf also insgesamt schon ein funktionierendes Spiel.)

Dieses Prinzip kennen wir etwa von Final Girl, dem Solo Horror Brettspiel von Van Ryder Games: Es gibt eine Grundbox und eine Reihe von extra Erweiterungen, die das eigentliche Spiel enthalten.

Ein solches Spiel ist auf sehr einfache Weise erweiterbar, alle Arten von verschiedenen Themensets lassen sich mit relativ geringem Zusatzaufwand als Module umsetzen: clever!

Themenset: Solar Sentinels

Neben dem Too Many Bones Themenset und anderen, die bestehende Spielwelten von CTG in 20 Strong implementieren, hat CTG auch eine neue, eigenständige Welt für dieses Spiel erschaffen, nämlich die der Solar Sentinels.

Und genau dieses Set habe ich ausprobiert.

Hier sind wir als Spieler eben solche Sentinels, die Sonnenenergie und Technologie einsetzen, um böse Alien-Schwarmgegner zu bekämpfen, die sich auf dem Mond eingenistet haben und nun die Erde bedrohen!

Mit Hilfe unseres Würfelpools stelle wir uns der Invasion entgegen!

Wie funktioniert das Spiel?

Jedes Themenset besteht aus einer Reihe von Karten mit einer eigenen, kleinen Anleitung. Die Grundbox stellt wie gesagt lediglich die Grundregeln und die Würfel bereit.

Zunächst legen wir in Solar Sentinels die Gegner in drei gemischten Stapeln aus, daneben kommt ein Stapel mit den möglichen Endgegnern: Denn Boss-Kämpfe schließen jede Partie ab (sofern man so lange am Leben bleibt.)

Dazu kommen noch Missionen, die wir im Laufe des Spiels erledigen können, um den Endkampf etwas leichter zu machen: Auch diese legen wir als Stapel bereit.

Dann suchen wir uns eine Heldenkarte aus und ordnen ihr die drei vorhandenen Statwürfel zu: Gesundheit, Strategie und Auffrischen. Das sind im Spiel reine Zählwürfel: Sie werden nie geworfen, sondern dienen dazu, die Eigenschaften unseres Helden festzuhalten.

Zum Schluss legen wir noch die farbigen Würfel bereit, die unseren Würfel-Pool bilden. Mit diesen Würfeln kämpfen wir nun Runde um Runde gegen die Gegner!

Spielablauf im Detail

Jedes Themenset variiert die Mechaniken der Grundbox ein wenig, das sorgt natürlich für Abwechslung. Ich selbst habe nur Solar Sentinels gespielt, kann also nur dazu meine Meinung abgeben. Aber die anderen Sets werden sich wohl in den Grundzügen nicht allzu sehr von diesem Solar Sentinels unterscheiden.

In Solar Sentinels wählen wir zu Beginn der Runde zunächst eine Gegnerkarte von einem der drei Gegnerstapel aus, gegen die wir kämpfen wollen. (Dabei gibt es auch Pflichtgegner, denen wir vorrangig begegnen müssen.)

Wir lesen uns den Kartentext durch und stellen fest, ob und welche Bedingungen der Gegner vorgibt, wenn wir anschließend unsere Kampfwürfel auswählen.

Jeder Gegner hat dabei zunächst einmal zwei Eigenschaften, seine Grundstats: Gesundheit und Schaden (abgebildet am rechten Kartenrand). Gesundheit gibt an, wie viel Schaden wir dem Gegner zufügen müssen, um ihn zu besiegen; Schaden wird uns zugefügt, wenn wir den Gegner nicht besiegt haben.

In der Kartenmitte, neben der Abbildung des Gegners, steht zunächst ein Kartentext, der den aktuellen Kampf beeinflusst (orange); darunter befindet sich ein Text (weiß), der den Loot beschreibt – einen Bonus, den wir erhalten, wenn wir den Gegner ausgeschaltet haben.

Wenn wir unsere(n) Gegner erst einmal in der „Aufmarschzone“ haben, müssen wir Würfel aus unserem Pool wählen, mit denen wir sie bekämpfen wollen. Jede Würfelfarbe hat dabei unterschiedlich viele Treffersymbole, es gibt also schwache (gelbe) bis sehr starke (rote) Würfel.

(Der Name 20 Strong leitet sich übrigens von der Anzahl der Würfel im Spiel ab: Es sind nämlich zwanzig…)

Je nachdem, wie hoch gerade unser Strategiewert ist (der mittlere Statwürfel an der Heldenkarte), dürfen wir diese Würfel nach dem ersten Wurf auch mehrmals neu würfeln (Rerolls).

Haben wir genug Treffer gewürfelt und diese einem Gegner zugeordnet und ihn so besiegt (Gesundheit), dann dürfen wir diesen als Lootkarte an unsere Heldenkarte anlegen und den Loot-Effekt in zukünftigen Runden nutzen.

Haben wir es jedoch nicht geschafft, erhalten wir Gegnerschaden: Wir drehen unseren Lebenspunkte-Würfel entsprechend nach unten. Fallen wir unter 1 Lebenspunkt, dann sind wir tot und haben das Spiel verloren.

Nachdem die Gegner abgehandelt sind, legen wir alle gebrauchten Würfel zur Seite: Sie sind nun erschöpft. Erst dann frischen wir aus diesem Poll von erschöpften Würfeln so viele wieder auf, wie unser Auffrischen-Statwürfel uns erlaubt. Diese fügen wir wieder unserem Würfelpool hinzu.

Nun geht das Spiel Runde um Runde so weiter, bis mindestens einer der drei Gegnerstapel leer ist. Erst dann nämlich können wir einem Endboss begegnen. Ist dieser besiegt, dann haben wir das Spiel gewonnen.

Gedanken zum Gameplay

20 Strong stellt uns von Anfang an vor Entscheidungen: Welchen Gegnern sollen wir zuerst begegnen? Wie viele und welche Würfel nehmen wir aus unserem Pool um diese Gegner zu bekämpfen? Sollen wir weitere Würfel aus dem Pool nehmen, wenn wir einen Wurf verpatzt haben, oder stecken wir den Gegnerschaden lieber ein und sparen die Würfel für die nächsten Begegnungen auf?

Die Kampfwürfel sind dabei immer eine knappe Ressource. Es ist essentiell, erschöpfte Würfel so schnell wie möglich wieder in den Pool zurück zu bekommen: Mit Hilfe von einigen Loot-Effekten kann der Auffrischen-Statwürfel hochgedreht werden, was die Auffrischungsrate erhöht.

Allerdings ist es ebenso wichtig, den Strategie-Wert zu erhöhen, denn je öfter wir einen Wurf wiederholen können, desto weniger Würfel müssen wir statistisch gesehen aus dem Pool nehmen, um Erfolge zu würfeln.

Und nicht zuletzt ist die Würfelfarbe entscheidend: Je stärker ein Würfel ist, desto mehr Erfolgs-Seiten besitzt er. Aber von jeder Farbe gibt es nur maximal vier Würfel. Deshalb ist auch diesbezüglich immer eine Entscheidung zu treffen, die sich auf den Rest des Spiels auswirkt!

Und so hangelt man sich im Spiel von Gegner zu Gegner, stets darauf bedacht, optimal zu agieren, um nicht am Ende am Mangel an Ressourcen (= zu wenig Würfel im Würfelpool) zu scheitern.

Das macht insgesamt einen sehr runden, ausbalancierten Eindruck. Zudem ist der Schwierigkeitsgrad durchaus anspruchsvoll, was für ein reines Solospiel wichtig ist, damit es auch nach mehreren Partien noch spannend bleibt.

Was mir weniger gefällt

Ich habe leider eine ganze Weile gebraucht, bis ich die Spielregeln wirklich alle richtig verstanden und verinnerlicht hatte. Denn obwohl das Regelheft kurz und übersichtlich ist und auch die Regeln für die Solar Sentinel Erweiterung alles andere als komplex sind, hatte ich mit dem Timing der Würfelauswahl und der Rerolls zu kämpfen. In diesem Punkt sind die Regeln meiner Meinung nach nicht klar genug geschrieben, und das war eine echte Hürde.

Vielleicht lag das aber auch nur an mir.

Ein Punkt, den ich aber wirklich kritisieren muss, ist die Vielfalt der Gegner.

Das klingt jetzt seltsam, weil Vielfalt normalerweise positiv und absolut erwünscht ist. Aber in diesem Spiel bedeutet Vielfalt einfach nur, dass man es mit unzähligen Sonderfähigkeiten und Eigenarten zu tun bekommt, auf jeder einzelnen Gegnerkarte.

Und so ist man ist beim Spielen ständig nur am Lesen, welche Effekte ein Gegner auslösen kann, und welchen Loot er eventuell bringt. Die Bilder und Namen der Gegner treten dabei während des Spiels so weit in den Hintergrund, dass sie völlig irrelevant werden: Es geht beim Spielen allein um die Würfel, und um die Optimierung von Würfel-Auswahl und Helden-Stats.

Und das ist schade, denn Solar Sentinels kommt eigentlich mit einem Thema daher, das durchaus Spaß machen könnte.

Aber während des Spiels bleibt davon nichts übrig. Es geht allein um Würfelauswahl, Würfel werfen, Abhandeln, Auffrischen, jede Runde von Neuem. Kurz: Es entsteht keine Stimmung, keine Geschichte.

Der Hauptgrund dafür ist meiner Meinung nach eben die zu hohe Varianz der Gegner, genauer gesagt: der Gegner-Effekte. Anstatt also ein Gefühl für die Spielwelt zu entwickeln (Immersion), ist man ständig nur mit dem Lesen der Kartenfähigkeiten und Sondereffekte beschäftigt (Mechanik).

Fazit

20 Strong ist zweifellos ein Spiel, mit dem viele Solospieler ihren Spaß haben werden. Nicht umsonst wird das Spiel in Foren und Rezensionen auch hoch gelobt, und ich finde ja auch, dass die Mechaniken ausgezeichnet funktionieren.

Aber das Thema kommt für mich einfach nicht durch. Immerzu muss ich Karteneffekte lesen, würfeln und die Effekte abhandeln. Dass ich im Spiel ein Sentinel sein soll, spüre ich nicht.

Davon abgesehen empfinde ich das ständige Kartenlesen als anstrengend: Ein Würfelspiel in dieser Art sollte mich in seinen Bann ziehen, oder aber einfach nur ein schnelles Würfelspiel sein!

Für letzteren Fall ist mir etwa das kleine Würfelspiel Ganz schön Clever! lieber. Will ich hingegen ein Würfelspiel, bei dem das Thema die Hauptrolle spielt, dann ist für mich immer noch Das Ältere Zeichen das Spiel der Wahl: Es ist immer noch das beste seiner Art.

Sorry, Chip Theory Games, von mir gibt´s deshalb diesmal leider keine Empfehlung.

Nachwort

Ein Wort noch zum Spielmaterial: Das ist nämlich alles extrem hochwertig, aber…!

Das Erste, was beim Öffnen der Schachtel auffällt, ist der Gestank. Neue Spiele verströmen normalerweise einen dezenten, tollen Geruch nach Pappe, Tokens und was sonst noch in der Box ist. 20 Strong aber besteht anscheinend nur aus giftig riechenden Kunststoffen, und dieser Geruch ist auch Wochen nach dem Auspacken noch nicht ganz weg:

Die Karten bestehen nicht nur aus Plastik, sie sind auch noch mit Foil-Effekten bedampft, vorne und hinten. Die Spielschachtel selbst ist innen mit seinem samten wirkenden Material beflockt, sodass der Deckel als wohlklingender Würfelteller verwendet werden kann: Toll, aber ist das nötig?

Allein die Würfel sind schön und relativ einfach gehalten. Der einzige Pokerchip im Spiel wird in Solar Sentinels als Counter verwendet. Auch da kann man sich fragen, wie sinnvoll das ist.

Das gesamte Material ist also nicht nur extrem hochwertig, sondern richtiggehend überproduziert. Da kann man schon mal fragen, ob das alles wirklich sein muss?

Unser Hobby könnte sich tatsächlich grundsätzlich mal ein paar Gedanken über den ökologischen Fußabdruck machen, darauf möchte ich an dieser Stelle aber gar nicht weiter eingehen. Bei diesem Spiel aber werden wir schon mit der Nase darauf gestoßen, dass da vielleicht etwas nicht ganz stimmt.


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